Merz hört mit – Syphilos im Augiasstall

Gießen/ Fulda. Zu den bekanntesten Herkules-Aufgaben gehörte bekanntlich das Ausmisten der Ställe des Augias. Diese unterscheidet sich von den Syphilis-Aufgaben (eine wunderbare Wortschöpfung eines Bürgermeisters aus dem Odenwald, wo früher die Kuhställe ganz ohne Halbgötter in Gummistiefeln entmistet wurden, wo aber dafür die Bürgermeister heute Halbgötter sind) dadurch, dass der Halbgott den echten Mist echter Kühe zu beseitigen hatte und sich dazu der nützlichen Dienste eines umgeleiteten Flusses bedienen konnte, während man sich die wahre Syphilis-Aufgabe so vorstellen muss, dass in den Ställen Hunderte von sprechenden Kühen Sprachmist produzieren, den auszumisten eine Arbeit ist, die erstens mit hoher Ansteckungsgefahr verbunden und die zweitens eine unaufhörliche, nie vollständig zu erledigende ist. Dies ist die Arbeit, der diese Kolumne ihre Daseinsberechtigung verdankt und deren Autorenteam daher aus lauter Sisyphossen, nein: Sysiphossen, ach was: Syphilossen besteht.

Dessen ungeachtet dürfen auch die Taten des Herkules nicht gering geschätzt werden, weshalb noch heute viele der heroischen Taten des Alltags wie auch des Sonn- und Feiertags als ebensolche, nämlich als Herkulestaten bezeichnet werden. Vor allem werden die Aufgaben, die noch vor einem liegen, als Herkules-Aufgaben bezeichnet, meist von denen, die sie zu verrichten nicht die geringste Lust haben.

Papyrrhussiege und hässliche Wörter / Gerhard Merz

Papyrrhussiege und hässliche Wörter – Das Buch.

Das gilt z.B. in besonderer Weise von Alexis Tsipras, jenem neuen griechischen Halbgott, der wie weiland Herkules „die gehäufte Sch***e (Sic!) im Augiasstall“ zu beseitigen sich anschickte (Die Welt, 25. Februar 2015), wohl wissend, dass an den Taten des Herkules „zunächst weniger wichtig (ist), was er tut, als die Tatsache, dass er es tut“, ein Aspekt, den seine hydraähnlichen Gegner im Brüsseler Augiasstall ebenso wenig in Rechnung stellten wie die Griechen selbst, weswegen diesen wie jenen die Reden und Taten des neuen Halbgottes bisweilen ebenso wahnwitzig erschienen wie jene, die sein mythischer Vorgänger tat, als er von Hera mit Wahnsinn geschlagen worden war. Erschwert wurde die Lage natürlich dadurch, dass auch noch andere im Athener Augiasstall herumfuhrwerkten, nämlich z.B. ausgerechnet Wolfgang Schäuble, der dabei auch noch das moderne Orakel von Delphi Yanis Varoufakis im Nacken hatte. (vgl. N24.de, 29.Juni 2015)

Seither ist der Augiasstall geradezu allgegenwärtig. Und immer schuften in ihm Männer, bei denen oftmals nicht klar erkennbar ist, ob es sich um Herkulesse oder Syphilosse handelt und ob ihre Arbeit demzufolge zur Spezies der Herkules-oder der Syphilis-Arbeiten gehört. Häufig wird es sich um beides handeln, so z.B. die des „Rentenexperten Otto Teufel“, der „im Augiasstall schuftet“ (TAZ, 31. Januar) oder die, die in den zum Himmel stinkenden „Augiasstall Fußball“ (Platow online, 25.Oktober 2015) zu verrichten wäre, eine Arbeit, für die sich noch kein Herkules gefunden hat und die sich in der Tat als eine Syphilisarbeit erweisen könnte, zumal die bisherigen „Saubermänner“ Platini und Niersbach nach allzu langem Aufenthalt im Stall von Augias Blatter selber ein wenig streng riechen.

Zum Augiasstall wurden seither z.B. die „Statt-Partei“ (Die Zeit online, 1. April 1994), die Enquêtekommission Internet und digitale Gesellschaft des 18. Deutschen Bundestags („Ein Augiasstall voll Arbeit – Mein Fazit aus unserer Arbeit zur Enquêtekommission Internet und digitale Gesellschaft des 18. Deutschen Bundestags, digital courage, 18. Oktober 2014), die Armee in Nigeria (Neue Zürcher Zeitung, 20. November 2015) und vieles andere mehr.

Besonders schwierig scheinen die Dinge in der Verkehrspolitik zu liegen, die nach den Worten des stellv. Vorsitzenden der niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion Jörg Bode in ihrer Gänze zum Augiasstall geworden ist. „Es wird Zeit, dass der Bund den Augiasstall bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur endlich ausmistet“, so seine markige Forderung und es ist ihm recht zu geben, denn wer hat schon davon gehört, dass man mit Mist Straßenbau bezahlen kann. Erschwert wird die Lage nach den Worten des wackeren Mannes noch dadurch, dass die „seitens der SPD erhobene Forderung, die LKW-Maut auf alle Landes- und kommunalen Straßen auszuweiten … zudem eine überflüssige bürokratische Herkulesaufgabe (sei), bei der Aufwand und Nutzen nicht im Verhältnis stehen“ (Pressemitteilung vom 29. April 2014). Ohne Zweifel bedenkenswert, zumal schon die Entschlüsselung dieses Satzes eine Herkules-, ach was: eine Syphilis-Aufgabe ist, bei der Aufwand und Nutzen nicht im Verhältnis stehen.

Aber auch die Bildungspolitik, die Steuervermeidung, der deutsche Bundestag, die tschechische Republik, die russische Notenbank und – wer würde es glauben – das Alltagsnetz Radverkehr Altona sind allgemeiner Auffassung nach Augiasställe. Kein Wunder also, dass allenthalben Menschen vor Herkulesaufgaben stehen. Mancher steht sogar am Scheideweg, möglicherweise sogar im Alltagsnetz Radverkehr Altona. Aber davon ein andermal. +++ fuldainfo | gerhard merz