Merz hört mit – Der Narrativ von der Erfolgsgeschichte

Gießen/ Fulda. Dass nichts erfolgreicher ist als der Erfolg ist eine hinreichend bekannte Tatsache. Es verhält sich damit in etwa so wie mit der Erkenntnis, dass nichts uriger ist als das Urgestein, nichts anbetungswürdiger als die Ikone, nichts legendärer als die Legende und nichts mythischer als der Mythos: die Armut kommt von der Powerteh und sowas kommt immer von sowas!
Mit Legende und Mythos teilt der Erfolg die narrative Struktur, die ihn wiederum aus Engste mit dem neumodischen resp. postmodernen Narrativ verbindet. Bescheiden wie er ist kommt der Erfolg jedoch nicht mit einem pompösen Mythos, einer legendären Legende oder einem wuchtigen Urgesteinsmassiv daher, nein er, der über die Jahrtausende hinweg Geschichte (oder mit Helmut Kohl gesprochen: GeCHichte) gemacht hat, er begnügt sich genau damit: mit der Geschichte, genauer: der Erfolgsgeschichte. Aber auch diese ist so erfolgreich, dass der Erfolgsgeschichten schier kein Ende sein will.

Höchste Zeit also für eine Erfolgsgeschichte der Erfolgsgeschichte. Daran arbeitet zu Fromm‘ und Nutzen seiner Zuhörerschaft der Historiker Justinus Pieper, dessen Vorträge „Frauen in Führungspositionen: Hätte Kleopatra heute eine Chance?“, „Wachstum – aber richtig! Europäische Erfolgsstrategien mit Machiavelli und dem Imperium Romanum“ (dieser vor Vorstand und Beirat der Sparkasse Offenburg!) oder auch „Machiavelli oder Sokrates – Ethik und Compliance im Mittelstand“ gewiss ein breiteres Publikum verdient hätten, formt er doch olle Kamellen zu modernen Narrativen bzw. Erfolgsgeschichten um: „Hauptredner Justinus Pieper interpretierte Homers Epen als Fürsten- und Managerspiegel, als Leitfaden für eine gekonnte Mitarbeiterführung bzw. für den gelungenen Umgang mit Menschen überhaupt, aber auch für eine erfolgreiche eigene Karriereplanung. Er bewertete ‚Ilias‘ und ‚Odyssee‘ als Kompendium überzeitlich erfolgreicher Strategien wie auch als Moralkodex, der diesen Strategien zugrunde liege – und übersetzte es in konkrete Handlungsanleitungen, welche im unhandlichen Original erst auf sehr subtile und lang dauernde Weise dem Leser nahe gebracht werden könnten…“ (http://www.erfolgsgeschichte.net/) Mit einemWort: Der Pieper zeigt dem ollen Homer, was eine Narrativ-Harke ist!

Eine Erfolgsgeschichte ganz anderer Art, die jedoch wie „jede großartige Geschichte … einen großartigen Anfang (hat)“ ist die von Mabel Baker, deren „lebensverändernde Vision“ von der Herstellung von Kerzen aus wilder Wachsmyrte in ihrer Heimatstadt Cape Cod zu einem Multimillionen-Dollar Geschäft wurde. „Als sie 1965 im Alter von 94 Jahren das Zeitliche segnete (resp. ihren Lebens-Narrativ beendete, GM), war, was mit einer einzigen Wachsmyrte begann, ein 6-Millionen-Dollar Unternehmen geworden. Auch heute noch ist sie mit ihrer Erfolgsgeschichte ein Vorbild für uns.“ Nämlich für die Mitarbeiterinnen von PartyLite Gifts Inc., ohne deren Kollektion von Home-Düften und Accessoires die moderne Party schlechterdings nicht mehr denk- geschweige denn erzählbar geworden ist. Und selbstverständlich auch für uns, denen nun in der Dunkelheit der Geschichte das kleine Wachsmyrtenlicht der Mabel-Baker’schen Erfolgsgeschichte leuchtet. (http://www.partylite.de/de/das-unternehmen/die-erfolgsgeschichte.html)

Auch ohne die vermittelnden Dienste des Historikers Justinus Pieper und ohne die Lichter der Mabel Baker ist unbestritten, dass es sich bei 25 Jahren deutsche Einheit um eine Erfolgsgeschichte handelt, erst recht bei 150 Jahren BASF, deren großer Narrativ freilich unter dem Namen IG-Farben geschrieben wurde. Dass es sich bei der Wiedervereinigung, u darauf noch einmal zurückzukommen, um eine „ökonomische Erfolgsgeschichte“ handelt, wird von einigen Geschichte- und Narrativforschern in das Reich der Ammenmärchen verwiesen, eine neuerdings leider etwas vernachlässigte Subspezies des Mythos.

Wenig bekannt außerhalb des Kreises der Golf-Geschichtenerzähler ist, dass es sich auch beim „Ping Anser Putter“ um eine Erfolgsgeschichte handelt, die nichts weniger als „eine Revolution in der Equipment-Industrie“ darstellte. Nicht revolutionär, sondern im Rahmen der neueren sozialdemokratischen Gerechtigkeitserzählung fest auf dem Boden des Reformismus stehend ist schon nach einem Jahr die Erfolgsgeschichte vom Mindestlohn, von dem erzählt wird, „dass alle Unkenrufe nicht eingetreten sind“ (U. Gottschalck, MdB-SPD, Facebook-Post, 6.April 2016) Unkenrufer, die das Ende der Sozialdemokratie insgesamt herbeigekommen sehen, müssen sich also noch ein wenig gedulden. Ob freilich aus der sozialdemokratischen Erzählung, dem großen historischen Narrativ der SPD doch noch einmal eine Erfolgsgeschichte wird, muss bezweifelt werden: Ihr Handicap ist zu groß und der Sigmar-Gabriel-Putter noch nicht erfunden. +++ fuldainfo | gerhard merz